Gegenüber dem schon nicht turboschnellen Vorgänger übt sich BEN KUNDER auf seinem dritten Album noch einen Tick mehr in Entschleunigung. „Searching For The Stranger“ ist ein elegisches Schwelgen, mit hallenden Chorussen, sanftem Westcoast-Gesang, steinerweichenden Melodien und einer volltönenden Instrumentierung, die allerdings nirgendwo überladen ist und eher verhuscht ihre wahre Größe präsentiert. Bands wie BON IVER oder THE WHITE BIRCH mögen als Referenzen dienen. Wobei, „Year“ könnte auch eine Endsechziger Ballade von THE MOODY BLUES sein. Arrangiert von Brian Wilson.

Eine Studie im „Quiet is the new loud“-Modus, lediglich die (dezent) eingesetzten Drum-Samples und ein vorwitziger Synthesizer sorgen für milde Irritationen. Ansonsten ist alles im Fluss, der sich bedächtig seinen Weg bahnt. Keine Aufregung, vielleicht ein bisschen unterdrückte Wut, sonst nur innere Einkehr, sorgsame Außenbetrachtung und viel Gefühl für wärmende, impressionistische Klänge. Die das wohlgeratene Video zum versonnenen „Berlin“-Trip in passende Pastellbilder fasst. Die Mauer fällt, nirgendwo ein Versteck, Vergangenheit und ihre Bewältigung überall, Tränen auf dem pittoresken Weihnachtsmarkt. Wir schlurfen gerne mitfühlend durch die Bundeshauptstadt.

Am besten ist Kunder immer dann, wenn sich seine Songs beinahe verflüchtigen, beseligend vorbeischweben, um sich anschließend in Wohlgefallen und ein wenig Traurigkeit aufzulösen. Indianersommer im Laurel Canyon, mit Sehnsuchtsseufzern und vielen üppigen Chören versehen. „Breathe In, breathe out, I‘m lucky I guess. If I can make it through the next week or two, it would be alright.“

FAZIT: Nachts, am Ende eines in vielerlei Hinsicht aufreibenden Jahres etwas innere Einkehr und Kontemplation; ein wehmutsvoller, trauriger Blick zurück und ein in Maßen hoffnungsvoller nach vorn. „Searching For The Stranger“ ist der perfekte Begleiter. BEN KUNDER und ein weicher Single Malt. So könnte es was werden.